Executive Talk mit Dr. Marcell Vollmer
Er war CPO und Chief Digital Officer bei SAP, Partner bei der Boston Consulting Group, führt heute eine Unternehmensgruppe im Health Care Bereich und gilt als Vordenker von Digitalisierung, insbesondere im Supply Chain Management. Wir haben mit Dr. Marcell Vollmer gesprochen, welche Chancen und Grenzen er beim Thema ‚Künstliche Intelligenz im Einkauf‘ sieht.
Wie steht es heute um Künstliche Intelligenz in SCM und Einkauf – wo finden KI-Technologien bereits Anwendung?
Marcell Vollmer: In der Supply Chain gibt es schon eine Menge Anwendungen, die auf ‚Machine Learning‘ basieren: ‚Demand Forecasting‘ funktioniert schon recht gut, ebenso wie Inventory Planning. In der Logistik können über algorithmische Systeme Routen optimal gestaltet werden. Und im Bereich Einkauf finde ich besonders spannend, dass mit Hilfe von so genannten ‚Large Language Models‘ – wie ChatGPT – die vielen Kataloge mit ganz unterschiedlichen Informationen künftig besser qualitativ bewertet und für den Endnutzer aufbereitet werden können. Ebenso wird es Abrufverträge mit intelligentem Forecast geben. Wie in allen anderen Bereichen auch, ist die Welt hier in Bewegung.
Welche Limitierungen sehen Sie?
Marcell Vollmer: Wir reden gerade alle von Künstlicher Intelligenz, aber am Ende reden wir von Algorithmen – wenngleich bei ChatGPT & Co auf einer ganz neuen Qualitätsstufe. Wirklich ‚menschlich‘ ist die Intelligenz aber noch nicht. Ich gebe ihnen ein Beispiel: Wenn ein wichtiger Lieferant ausfällt, dann müssen oft in sehr kurzer Zeit sehr relevante Entscheidungen getroffen werden. Sie brauchen ein Substitut für Produkt, Dienstleistung und/oder Lieferant. Eine KI kann aber nach heutigem Stand nur auf Basis von regelbasierten Parametern Optionen vorschlagen. Wirklich ermitteln, wer genau jetzt zu ihnen passt, das kann sie nicht. Das müssen Menschen entscheiden. Was nicht heißt, dass dies in wenigen Jahren nicht schon deutlich anders sein kann. ChatGPT deutet das Potenzial auch in diesem Bereich an.
Wie gelingt es CPOs in den nächsten Monaten, nicht ‚Hype‘ oder falschen Versprechungen aufzusitzen – sondern einen kühlen Kopf im neuen KI-Dschungel zu bewahren?
Marcell Vollmer: Das ist eigentlich wie schon in der Digitalisierungs-Welle: Folge einem klaren Konzept. Und das hat sich im Kern nicht verändert: Starte mit einer Vision. Denke aus Sicht deiner Stakeholder. Hab den Business Case klar. Setze dazu einen Prozess auf. Suche erst dann eine technische Lösung. Fokussiere dich. Mach durchaus auch mal Experimente außerhalb der Reihe, aber nicht hunderte. Wenn du hundert Prioritäten hast, hast du am Ende keine. Und zuletzt: Denke immer daran – die technische Lösung kann noch so gut sein. Sie ist nutzlos, wenn du die Menschen nicht mitnehmen kannst. Habe ich in meinen Rollen als operativer Manager leider selbst immer wieder erleben müssen – und daran lernen dürfen.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Welches Problem im Einkauf würden Sie gern mit KI gelöst sehen – und welche ganz persönliche Herausforderung?
Marcell Vollmer: Aus meiner Sicht ist eines der größten Probleme im Einkauf die Datenqualität. Das Thema mit den Katalogen habe ich schon angesprochen. Aber es geht auch noch profaner. Es gibt den alten Einkäufer-Witz: Schau mal in die eigenen Daten, wie viel Umsatz du mit einem Lieferanten machst. Und dann fragst du diesen die gleiche Frage. Es ist nahezu unmöglich, auf das gleiche Ergebnis zu kommen. Wenn KI helfen könnte, hier mehr Transparenz zu erzeugen: Das wäre großartig. Und ganz persönlich hätte ich als Deutscher und Europäer vor allem den Wunsch, dass nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch die politischen Entscheider diesen neuen Technologien mit Offenheit entgegentreten. Und nicht Regulierung vor Chancen stellen. Dieses Problem löst allerdings nur menschlicher Dialog – keine KI.
Treffen sie Dr. Marcell Vollmer persönlich bei der Masterclass „Wie KI den Einkauf grundlegend verändert“ von Crowdfox auf dem Procurement Summit. Weitere Informationen über Dr. Marcell Vollmer finden sie unter folgendem Link.